nachhaltiges Design
Wann sind Produkte fair gestaltet?
KLIMAWANDEL, FRIDAYS FOR FUTURE oder UNWÜRDIGE ARBEITSBEDINGUNGEN – während nachhaltiges Design lange ein nice-to-have war, wird es mittlerweile durch mündige Konsumbürger zum zwingenden Bestandteil erfolgreichen Produktdesigns. Längst stehen der CO2-Abdruck, Wasserverbrauch, Schadstoffemissionen oder die Sozialverträglichkeit im direkten Vergleich zu typischen Produktmerkmalen wie Inhaltsstoffe, Leistung oder Preis.
Selbstverständlich können nicht alle Produkte um die Ecke aus regionalem Holz fair bezahlt Hand-geschnitzt werden. Trotzdem können wir mit diversen Methoden umweltverträgliche Produkte gestalten.
fair
Der ursprünglich englische Begriff der Fairness meint anständig und ordentlich. Dabei zeigt faires Handeln eine nicht zwingend geregelte Vorstellung von Gerechtigkeit. Während Fairness im Deutschen als Angemessenheit oder Anständigkeit verstanden wird, fußt faires Verhalten im Sport auf einem ehrlichen Miteinander.
ökologisch
Die Ökologie erforscht als Teilgebiet der Biologie die Beziehungen zwischen Lebewesen und die Wechselwirkungen mit der Umwelt. Umgangssprachlich verwenden wir ökologisch als Synonym für den ressourcenschonenden, weitsichtigen Umgang mit unserer Umwelt.
nachhaltig
Heute ist Nachhaltigkeit in aller Munde. Meist beschreibt der inflationär verwendete Begriff lang anhaltende Folgen oder Verbrauchsbegrenzungen in Abhängigkeit der erwarteten Regenerierung. Gleichbedeutend nutzen wir die Adjektive dauerhaft oder anhaltend.
Leitlinien für umweltgerechtes Produktdesign
Im Jahr 2016 veröffentlichte das Umwelt Bundesamt Leitlinien einer umweltgerechten Produktgestaltung. Basis hierfür ist die Ökodesign-Richtlinie der Europäischen Kommission (Richtlinie 2009/125/EG). Die Leitlinien umfassen 6 Punkte, beginnend bei der Reduzierung des Energie- und Rohstoffbedarfs und der Verwendung erneuerbarer Rohstoffe. Außerdem sollte eine nachhaltige Produktgestaltung die Gebrauchstauglichkeit, wie die Haltbarkeit oder Reparaturfreundlichkeit, steigern. Nachhaltiges Design berücksichtigt zudem das Recycling der Materialien und reduziert die Emissionen des Produktes während der Nutzung, beispielsweise Schadstoffe und Lärm. Ebenso sollen mit nachhaltiger Gestaltung umwelt- und gesundheitsbelastende Stoffe durch Stoffe mit verträglichen Eigenschaften ersetzt werden. (vgl. Umweltbundesamt, Mit Produktdesign Umweltbelastungen reduzieren, 2016)
Ökodesign-Richtlinie
Die Europäische Kommission definierte in den Ökodesign-Richtlinien produktspezifische Mindestanforderungen. Dadurch soll die Umweltverträglichkeit relevanter Energie-verbrauchender Produkte über den gesamten Lebensweg gesteigert werden. Ein Beispiel sind Autoreifen mit verringertem Rollwiderstand. Mit dem Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) sind die EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt worden. Durch den Bundespreis Ecodesign zeichnen Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium Produkte, Dienstleistungen und Konzepte mit großer Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung aus. Dabei fördern sie den öffentlichen Diskurs zum Ökodesign.
Mit unseren Entscheidungen im Designprozess legen wir bereits produktbezogene Kosten und Umweltauswirkungen fest. Mithilfe verschiedener Checklisten, Anforderungskatalogen und Vergabekriterien für Umweltzeichen können wir bereits sehr früh in der Produktentwicklung eine umweltgerechte Gestaltung forcieren.
THE GLOBAL GOALS
Im Jahr 2015 verständigten sich die Vereinten Nationen (UN) auf 17 Entwicklungsziele. Bis 2030 fordern die Ziele das Beenden von Armut und Hunger, gerechte Bildung und Geschlechtergerechtigkeit und ein gesundes Leben aller Menschen. Mit den globalen Zielstellungen erstreben die UN auch eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung, einen fairen Zugang zur Energieversorgung und ein langfristiges Wirtschaftwachstum mit menschwürdigen Arbeitsbedingungen an. Dabei soll eine belastbare nachhaltige Infrastruktur aufgebaut und die Ungleichheit zwischen den Staaten abgebaut werden. Außerdem fordert die UN das nachhaltige Entwickeln von Städten und Siedlungen, und spricht sich für nachhaltigen Konsum aus. Das 13. Ziel fordert umgehende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Desweiteren fordern die Ziele den Schutz von Ökosystemen an Land und im Wasser. Zudem sprechen sich die Vereinten Nationen für eine friedvolle inklusive Gesellschaft aus und wünschen das Wiederbeleben globaler Partnerschaften.
In den 17 Entwicklungszielen schlummern sicher viele potentielle Geschäftmodelle, die es zu entdecken gilt. Für eine nachhaltige Produktentwicklung sollten uns die Ziele als Leitbild dienen.
universial design
Mit Universial Design wird weniger eine spezialisierte Designdisziplin als ein umfassendes Gestaltungskonzept beschrieben. Dabei ist das universelle Design oder inclusive Design von möglichst vielen verschiedenen Menschen unterschiedlichster Kulturen ohne Vorwissen nutzbar. Für das Gestaltungskonzept haben sich die sieben Prinzipien etabliert: Breite Nutzbarkeit, Flexible Benutzung, Intuitive Handhabung, Sensorische Wahrnehmung von Informationen, Minimierung der Risiken bei der Anwendung, Angepasster Kraftaufwand, Benutzung und Zugang.
Universial Design ist für mich ein Weg zu nachhaltigem Produktdesign, da gut verständliche Massenprodukte viele unterschiedliche Produkte ersetzen könnten. Durch die große Gebrauchsfreundlichkeit und Nutzerorientierung können Produkte von unterschiedlichen Generationen parallel und länger genutzt werden.
Glossar für nachhaltiges Design
eco
Unter Ecodesign, ökologischem Design, oder Sustainable Design verstehen wir Gestaltungskonzepte mit Prinzipien der Nachhaltigkeit. Durch intelligentes Einsetzen verfügbarer Ressourcen soll ein größtmöglicher Nutzen für alle Beteiligten erzielt werden. Dazu zählen sowohl umwelt- als auch sozialgerechte Aspekte.
local
Die umgangssprachliche Verwendung local meint im Kontext des nachhaltigen Wirtschaftens regional. Zur Stärkung der nahen Umgebung und zur Vermeidung langer Transportwege werden lokale Produkte und Dienstleistungen als besser gewertet.
open source
Open Source bezeichnete ursprünglich Software, deren Quelltext von Dritten einsehbar ist, und die meist kostenlos verwendet werden kann. Darüber hinaus wurde die Idee des freien öffentlichen Zugangs zu Informationen, sowie das gemeinsame Weiterentwickeln der Inhalte auf andere Bereiche übertragen. Ein Beispiel eines Open Source Lexikons ist Wikipedia.
fair
Der ursprünglich englische Begriff der Fairness meint anständig und ordentlich. Dabei zeigt faires Handeln eine nicht zwingend geregelte Vorstellung von Gerechtigkeit. Während Fairness im Deutschen als Angemessenheit oder Anständigkeit verstanden wird, fußt faires Verhalten im Sport auf einem ehrlichen Miteinander.
Moral
Unter dem Begriff der Moral bündeln wir alle unsere ethischen Wertevorstellungen und sittlichen Grundsätzen. Die gesellschaftlich verbindlichen Moralvorstellungen regulieren unser Zusammenleben. Mit der Moral beschreiben wir auch das Verhalten eines Einzelnen oder einer Gruppe.
social impact
Sozialer Einfluss beschreibt die verantwortlichen Handlungen einzelner Akteure für eine Gruppe. Stärke und Unmittelbarkeit definieren den Einfluss. Das Phänomen wurde gemeinsam mit der Verantwortungsdiffusion erforscht. Hierbei schwindet die subjektiv wahrgenommende Verantwortung gegenüber der Gruppe mit dem Anwachsen der Gruppengrößen. Von Unternehmen und Persönlichkeiten erwarten wir zunehmend verantwortungsvolle Handlungen.
materialgerecht
Entwürfe sind dann materialgerecht, wenn die Eigenheiten des Materials für den Entwurf, die Herstellung und die Verwendung berücksichtigt werden. Durch „richtig“ verwendete Materialen werden übliche Bearbeitungsschritte eingespart. Sobald Materialien „unverputzt“, unbeschichtet und „offen liegen“ wirkt das Produkt besonders authentisch.
gut
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das Guten zu definieren. Gut ist, was Gutes bewirkt – der Zweck heiligt dann die Mittel. Oder: Gut ist, nach bestem Gewissen absichtsvoll zu handeln. Ein anderer Ansatz verfolgt das gute, glückselige Leben: Gut ist, tugendhaftund mutig in Mäßigung, Weisheit und Großzügigkeit zu leben.
schön
Mit dem Adjektiv schön, schöner oder am schönsten beschreiben wir die angenehme Wirkung von Etwas auf uns. Dinge, Momente oder Lebewesen sind dann ansehnlich, anziehend oder attraktiv. Wir streben danach, die schönen Dinge zu erhalten.
Methoden für nachhaltiges Design
cradle to cradle
Mit dem Konzept „von der Wiege zur Wiege“ gliedern William McDonough und Michael Baumgartner unsere Rohstoffkreisläufe neu. Dabei sind die Materialien in einem biologischen oder einem technischen Kreislauf organisiert. Während Verbrauchsgüter nach der Nutzung biologisch abgebaut werden, zirkulieren die technischen Materialien der Gebrauchsgüter in Nährstoffkreisläufen weiter. Durch diese strikte Trennung erübrigen sich komplizierte Recyclingverfahren und die Materialien sind weniger verunreinigt.
Topologieoptimierung
Belastungen mechanischer Bauteile können mit diverser Software vorab simuliert werden. Beispielhaft genannt ist die Finite-Elemente-Methode (FEM). Auf Grundlage dieser Simulation kann die Materialverteilung im Bauraum optimiert werden. Additive Fertigungsverfahren ermöglichen die Umsetzung komplexer Geometrien in kleinen Stückzahlen zu geringen Stückkosten. Typologie-optimierte Bauteile sind aufgrund des effizienten Materialeinsatzes zweifellos leichter. Wenn die Leichtbau-Komponenten während der Nutzung Energie einsparen, kann durch diese Konstruktionsweise die Umweltverträglichkeit erheblich gesteigert werden.
Eco Design Kit
Das Bundesministerium für Umwelt und das Umwelt Bundesamt stellen Gestaltenden mit dem EcoDesign Kit ein Werkzeug bereit, um die Auswirkungen von Produkten vorab zu berechnen. Mithilfe des Tools können die Umweltbelastungen während der Produktion, der Produktverpackung, des Transports, im Gebrauch und die Folgen des Recyclings veranschaulicht werden.
Lassen Sie uns anfangen
Suchen Sie einen engagierten Partner, um Ihr nächstes Produkt umweltverträglich zu gestalten? Nachhaltiges Design ist kein zufälliges Ereignis, sondern das Ergebnis eines strategischen Designprozesses.
weniger, aber besser
Der wohl bekannteste deutsche Funktionalist, Dieter Rahms, definierte Gutes Design in zehn Regeln. Entsprechend formuliert er in 10 Thesen Merkmale funktionalen und einzigartigen Produktdesigns.
Gutes Design ist umweltfreundlich
„Das Design leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt. Es bezieht die Schonung der Ressourcen ebenso wie die Minimierung von physischer und visueller Verschmutzung in den Produktlebenszyklus ein.“
Dieter Rahms, Zehn Regeln für gutes Design
nachhaltig unterstützen: Industriedesigner erkennen ihre Mitverantwortung für die Entwicklung von Menschheit und Natur. Sie verpflichten sich dem Dreiklang ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit.
VDID Codex
VDID Verhaltenscodex
Der Verband Deutscher Industrie Designer (VDID) fordert in 12 Punkten ein Engagement der DesignerInnen, das über die täglichen Gestaltungsaufgaben hinausgeht. Dabei bekundet der Codex berufsspezifische ethische Werte und umschreibt Qualitätskriterien sowohl für Entwicklungsprozesse als auch Ergebnisse. Folglich kann der Codex für alle IndustriedesignerInnen eine Orientierung bieten und zu einer persönlichen Haltung im beruflichen Alltag ermutigen.
Weltentwerfen
Mit unseren Entwürfen erschließen wir vielen Menschen die Welt auf eine von uns gestaltete Art und Weise. Indem wir mit Produkten Neues in die Welt werfen, verändern wir die Welt. Durch die mit den Produkten nicht erschlossenen Potentiale, unterwerfen wir Menschen mit dem Gestalteten. Design ist für Friedrich von Borries deshalb immer etwas politisches. Gutes, verantwortungsvolles oder gelungenes Design ist in diesem Sinne eine Gestaltung, die das Überleben sichert und die Handlungsspielräume von Menschen erweitert.
Ist nachhaltiges Design schön?
Ähnlich wie bei der Elektromobilität wurden nachhaltige Produkte überwiegend mit rationalen Argumenten beworben. Zumeist entscheiden wir uns aber auch aus emotionalen Beweggründen für und gegen Produkte. Umso wichtiger ist es deshalb, nachhaltige, ressourcenschonende oder fair produzierte Produkte auch emotional überzeugend zu gestalten. Klare Sache, nachhaltige Produkte müssen schön sein!
Ist nachhaltiges Design Luxus?
Sicher sind viele nachhaltige, umweltfreundliche Designlösungen (augenblicklich) kostenintensiver als konventionelle Lösungen. Aber ist dieses Design deshalb Luxus? Wenn „Luxus jeder Aufwand ist, der über das notwendige hinausgeht“ (Werner Sombart), dann ist umweltfreundliches Design niemals eine Ausprägung von Luxus – außer es ist nicht „notwendig“ eine lebenswerte Welt an unsere Nachkommen weiterzugeben.
Neben den zahlreichen Möglichkeiten, neue Produkte umweltverträglich zu entwickeln, sollten wir die vielen Möglichkeiten des Wiederverwendens, also dem Second Hand, oder Refurbished – oder generalüberholten nicht vergessen. Auch Reparieren und Upcycling verlängern die Nutzungsdauer von Produkten und verbessern damit die Umweltbilanzen. Für Neuentwicklungen überzeugte mich das Credo Dieter Rahms: weniger, aber besser.
Hier gibt es noch mehr Nachhaltiges:
Ecolizer
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the global goals
17 global Goals
Ökodesign-Richtlinien
Umweltbundesamt
Mit Produktdesign Umweltbelastungen reduzieren
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Weltentwerfen – Eine politische Designtheorie
Friedrich von Borries