minimal Design
Ist Design minimal?
Unter Gutem Design verstehen heute Viele die Reduktion auf das Wesentliche. Die einfachen und minimalen Lösungen verzichten auf Schmuckelemente und zielen auf die Essenz der Dinge. Dann wenn alles Unnötige weggelasssen ist und sich das Ding aus dem Eigentlichen formt, erfreuen wir uns an der Authentizität und vermuten Wahrhaftigkeit.
Ein kleines Büchlein von Thomas Bauer geht mir seit langem nicht mehr aus dem Kopf. Der Autor beobachtet in „Die Vereindeutigung der Welt„, dass wir uns Mehrdeutigkeiten entziehen. Unklares und nicht zu fassendes verliert stets gegen das Klare und in Zahlen auszudrückende. Unsere Welt toleriere weniger Pluralität und Vielfalt, sondern bewege sich nach Bauer zwischen Extremen und Gleichgültigkeit. Tragen wir nun mit einem reduzierten Design auch dazu bei? Geht mit einem minimalen Design etwas verloren und endet in Gleich-gültigkeit? Ich bin überzeugt, dass Design eigentlich keine minimalen, sondern maximale Auswirkungen auf unser Zusammenleben hat.
einfach
Einfache Prozesse, Zustände und Dinge zeichnen sich durch zwei Merkmale aus. Einerseits tragen nur wenige Faktoren dazu bei, dass etwas einfach ist. Zweitens wirken diese wenigen Faktoren „einfach“ oder mit nur wenigen Regeln zusammen.
minimal
Während etwas Einfaches in sich vollendet ist, ist das Minimale etwas reduziertes. Durch Abstrahieren oder Weglassen wird beim Minimalen etwas vereinfacht ohne dass es einfach ist. Es entsteht aber durch dieses Weggelassene ein Freiraum. Durch das Fehlende entsteht eine Spannung, die den Reiz des Minimalen ausmacht.
schlicht
Schlicht leitet sich von dem alten Adjektiv sleht ab. Ursprünglich bezeichnete es glatt, geglättet, und eben. Schlicht ist etymologisch eng verwandt mit schlecht. Neben der Bedeutung plan und glatt bedeutet schlicht auch einfach, kunstlos und ohne kostbares, verziertes. Spannend ist der Bedeutungswandel, denn schlicht bedeutet heute vielmehr geschmackvoll, ohne Kitsch, und auf das Wesentliche begrenzt.
Die Vereindeutigung der Welt
Im Gegensatz zur populären Annahme, dass unsere gesellschaftlichen Entwicklungen vielfältigere Lebensweisen ermöglichen, beobachtet Thomas Bauer in seinem Buch: „Die Vereindeutigung der Welt“ ein Schrumpfen von Vielfalt, Perspektiven und Chancen. Dieses Schrumpfen beobachtet er nicht nur bei kulturellen Leistungen, sondern auch in unserer natürlichen Umgebung. So verkleinern sich Pflanzen- und Tierbestände, oder die Zahl der gesprochenen Sprachen geht stark zurück. Zudem beobachtet Thomas Bauer, dass wir dazu neigen, Menschen und Dinge immer klarer einordnen und kategorisieren zu wollen. Dadurch verringern sich Uneindeutigkeit, Widersprüchlichkeit, und Widerspenstigkeit – kurzum verringert sich Ambiguität – in unserer „modernen Wissensgesellschaft“. Obwohl Kunst und Musik traditionell ambigue Räume eröffneten, zeigt Bauer auch hier die starken Tendenzen zur Vereindeutigung.
auf den Punkt gebracht
Sobald wir etwas auf den Punkt bringen, gelingt uns eine Zusammenfassung, dann“nennen wir das Kind beim Namen“ oder formulieren etwas treffend. Wie in Lessings fruchtbarem Moment versinnbildlicht dann Weniges Vieles.
simpel statt chaotisch
Weniger statt mehr, weglassen oder Leere statt Fülle. In seinem Essay „Einfachheit“ (2014) beschreibt Günter Figal das Einfache als „Einräumig“. In diesem Einfachen ist nichts impliziert, nichts das erst erkannt werden muss. Somit ist es eindeutig und verkörpert die Abwesenheit vom Vielschichtigen und Überlagerten – das Einfache ist eben was es ist. Das Einfache wirkt streng, weil alles eindeutig unmissverständlich an seinem Platz ist.
nützlich statt maßlos
Wir bewerten Dinge als nützlich, die für bestimmte Zwecke brauchbar sind. Ist ein Ding allein in nützlichen Aspekten gestaltet, erscheint es vernünftig. Deshalb spiegelt Minimalismus oft eine Suche nach dem guten, einfachen Leben wieder. Weil Minimalistisches auf das Wesentliche reduziert ist, fordert es stets einen Wahrheitsanspruch ein.
banal statt umfangreich
Einfache Designlösungen sind auf den Punkt gestaltet. Unnötige Bezüge, verunklärende Ornamente und umfangreiche Handlungsanweisungen sind zu simplen Lösungen verdichtet. Das Weggelassene fordert jedoch ein Vorwissen ein. Ohne diese Informationen kann das Einfache kontextlos und austauschbar erscheinen. Deshalb wirken einfache Lösungen oft banal, unschuldig oder neutral.
Minimalisten
In unserer komplexen Welt scheint es attraktiv, klare und einfache Lösungen anzustreben. Aus der Stilrichtung des Minimalismus entstand längst ein Lebenskonzept. Dabei streben Menschen ein klares, einfaches Leben mit nur wenigen Dingen an. Die Minimalisten wohnen in leeren Wohnungen, reduziert auf das Wesentliche – ohne Schnickschnack.
weniger, aber besser
Der wohl bekannteste deutsche Funktionalist, Dieter Rahms, definierte Gutes Design in zehn Regeln. Entsprechend formuliert er in 10 Thesen Merkmale funktionalen und einzigartigen Produktdesigns.
Was zeichnet gutes Design aus, ist gutes Design stylisch? Hier geht’s zu den zehn Thesen.
ORNAMENT UND VERBRECHEN
Adolf Loos bereitete den Weg für eine minimalistische Gestaltung. In seinem berühmten Text „Ornament und Verbrechen“ (1908) formuliert er seine Ideen in scharfen Thesen. Ornamente sind für Loos „vergeudete Arbeitskraft und dadurch vergeudete Gesundheit“. Gute Gestaltung kommt für ihn ohne diesen funktionslosen Zusatz aus. Die Reduktion zielt bei ihm immer auf eine Funktionssteigerung. Außerdem trat Adolf Loos dafür ein Anwendungen aus dem Material selbst zu entwickeln.
MINIMALE DESIGNLÖSUNGEN FORDERN MAXIMALEN AUFWAND
Zuoft erfodern besonders einfach anmutende Lösungen einen besonders großen Aufwand. Alle die schon mal etwas sehr Einfaches, Cleanes oder Dezentes umsetzen wollten, kennen den scheinbaren Widerspruch nur zu gut. Der Aufwand, Verbindungen wie Schrauben nicht sichtbar zu platzieren und dabei die Bedienerfreundlichkeit trotzdem zu gewährleisten ist enorm.
Lohnt der Aufwand? Rolands Barthes verwies in seinen Beobachtungen zur Citroen DS bereits auf die Magie, die von etwas nicht nachvollziehbarem ausgeht. Dinge, die wir nicht verstehen, wirken wie nicht von dieser Welt – göttlich. Da Details wie Schraubenköpfe (Schlitz und Imbus) oder Holzverbindungen (Schwalbenschwanz und Lamello) stets in eine Zeit verweisen, können Objekte ohne diese Details tatsächlich „zeitloser“ wirken.
Ein Beispiel aus meinem Alltag ist ein Baldachin für Strahler, den ich gemeinsam mit Stratas entwickelte. Um den Baldachin „einfach“ werkzeuglos und sicher an Wände oder Decken montieren zu können, entwickelten wir in dem unscheinbaren cleanen Zylinder ein hochkomplexes Innenleben.
Minimalflächen
Während wir bei minimal gestalteten Objekten sicher zuerst an „einfache“ Geometrien mit „simplen“ gerade Flächen denken, sind Minimalflächen oft komplexe Geometrien. Da die Flächen im Raum den minimalen Flächeninhalt annehmen, sind sie sehr „effizient“. Für das Produktdesign ist der Ansatz sehr spannend, da die Formen konstrukiv clevere Lösungen bei minimalem Materialeinsatz ermöglichen. Derartige Minimalflächen werden zum Beispiel durch Seifenhäute gebildet. Eine legendäre Übersetzung stammt von Verner Panton, mit dem gleichnamigen Panton Chair.
Lassen Sie uns anfangen
Suchen Sie einen engagierten Partner, um Ihr nächstes Produkt einfach überzeugend zu gestalten? Gelungenes Design ist kein zufälliges Ereignis, sondern das Ergebnis eines strategischen Designprozesses.
Ist minimal Design schön?
Mit dem ästhetischen Urteil SCHÖN werten wir entlang von Vorstellungen, Haltungen und Idealen. Ähnlich wie das Erhabene, das Rauschhafte, das Gute oder das Natürliche ist auch das Reine ein Ideal von Schönheit. Besonders in einer überfüllten Welt besticht das klare Reine. Mehr schöne Gedanken gibt es in dem folgenden Blockbeitrag:
Ist minimal Design Luxus?
Sicher sind viele reduzierte, minimale Designlösungen (augenblicklich) kostenintensiver als konventionelle Lösungen. Aber ist dieses Design deshalb Luxus? Wenn „Luxus jeder Aufwand ist, der über das Notwendige hinausgeht“ (Werner Sombart), dann kann minimal Design als eine Ausprägung von Luxus angesehen werden. Was verstehen wir eigentlich genau unter Luxus?
In meiner Arbeit ziele ich immer auf einfache Lösungen ab. Einfaches in sich vollendetes Design wirkt weniger modisch und kann so oft über eine längere Zeit am Markt bestehen. Zudem schont ein minimaler Materialeinsatz Ressourcen. Jedoch ist Reduktion keineswegs ein Allheilmittel. Zu schnell werden für den Kontext bedeutsame und für die Ergonomie wichtige Aspekte zu Gunsten eines minimalistisches Stylings reduziert. In meiner Erfahrung fußen einfache Designlösungen auf einer gründlichen Recherche und umfangreichen Gesprächen mit allen beteiligten Akteuren sowie den notwendigen Experten.
Lassen Sie uns anfangen.
Die folgenden Texte bringen noch mehr auf den Punkt:
Die Vereindeutigung der Welt
Thomas Bauer
Einfach ist schwer
Der Wert der Kunst, Hohe Luft Kompakt
Ornament und Verbrechen
Adolf Loos
Minimalismus: Besser Statt Mehr
Zukunftsinstitut
Wörterbuch der Gebrüder Grimm
schlicht